Die Konstituierung des 19. Deutschen Bundestages – eine Sternstunde?
Einige Stunden vor dem Fernseher
Wer am 24.10 die konstituierende Sitzung des 19. Deutschen Bundestages bei phoenix miterlebte, konnte leider nicht auf die Idee kommen, einer Sternstunde des Parlamentarismus beigewohnt zu haben. Zwar hatten die beiden Präsidenten – der eiligst vor dem Ende der letzten Sitzungswoche des alten Parlaments zum Alterpräsidenten (nach Schäuble, der verzichtete) definierte Otto Solms und dann, nach seiner Wahl zum neuen ordentlichen Parlamentspräsidenten, Schäuble – honorige Reden gehalten, deren Text man gern unterschreiben würde, wenn die Beschwörung des guten, ja von Anstand getragenen Umgangstones bei der künftigen Arbeit nicht vom lockeren Urteil gerade des Herrn Schäuble schon längst konterkariert wäre, der vor Wochen noch sagte, die AfD, die nun 92 Abgeordnete im Hause stellt, sei eine „Schande“. Vielleicht aber hält Herr Schäuble ja innere Einkehr und mäßigt sich in Zukunft.
Die oben erwähnte Neudefinition des Alterpräsidenten, der das neue Parlament zu eröffnen habe, wurde vom ersten parlamentarischen Geschäftsführer der AfD Baumann scharf kritisiert. Seit 150 Jahren sei es durchgängig Brauch im deutschen Parlamentarismus gewesen – nur einmal am Beginn der braunen Aera von Herrn Göring unterbrochen – als Alterspräsidenten das nach Jahren älteste Mitglied des Hauses zu definieren. Als in den Vormonaten angesichts der Listen der Direkt- und Reservekandidaten klar wurde, daß diese kurzzeitige Amt auf den AfD-Kandidaten von Gottberg zukommen könne und werde, begab sich die große Parlamentsmehrheit auf die Spuren des Herrn Göring, der weiland Clara Zetkin verhinderte, und änderte die etablierte Gepflogenheit, um – fadenscheinig den dienstältesten Parlamentarier zum Alterspräsidenten umzudefinieren, der ja angesichts seiner etwa zwei Stunden währenden Aufgabe unbedingt über die parlamentarische Übung verfügen müsse, damit wohl die ‚Würde des Hauses’ gewahrt bleibe. Wie das wohl auf Herrn von Gottberg gewirkt haben mag, kann man sich vor dem Hintergrund der Anstandsbeschwörungen (s.o.) ausmalen.
Postwendend kam der Aufschrei des ‚Freien Demokraten’ Buschmann, die AfD wolle sich nun mit den Opfern des Herrn Göring gleichsetzen, was allerdings richtig ist und legitim, handelte es sich doch bei diesen ‚Opfern’ gleichfalls um (noch) frei gewählte Abgeordnete.
Der nächste Eklat im Gegensatz zu den erwähnten würdigen Eingangsreden folgte bei der Wahl der stellvertretenden Parlamentspräsidenten. Jede Fraktion hat nach bisherigem Brauch Anspruch auf einen Vertreter im Parlamentspräsidium. Auch in drei Wahlgängen erreichte der AfD-Kandidat Glaser nicht die vorgegebene Mehrheit. Grund: Herr Glaser spreche dem Islam die grundgesetzlich garantierte ‚Religionsfreiheit’ ab.
Es wird an dieser Stelle deutlich, wie weit die Verwirrung in den Köpfen der herrschenden Politiker gediehen ist:
Selbstverständlich rüttelt Glaser und mit ihm die Mehrheit in der AfD nicht am Grundgesetzartikel von der Religionsfreiheit. Aber es muß bzw. müsste erlaubt sein zu fragen, welche Gruppen von dieser Freiheit im Sinne des Geistes unseres Grundgesetzes uneingeschränkt Gebrauch machen dürfen.
Wie berechtigt diese Frage an den Islam in unserer Zeit ist, muß jedem einleuchten, der über den (unkontrollierten) Zaun der bundesrepublikanischen Gartenlaube hinausschaut. Die unfriedliche Rolle des politischen Islam und seiner vielfältigen Gruppierungen in der Welt des vorderen und ferneren Orients mit seinen terroristischen Auswirkungen nach Europa darf nicht ignoriert werden. Islamisch geprägte Teil-Gesellschaften in Europa mit Moscheen, in denen auch für den Dschihad geworben und die Übernahme der politischen Mehrheit als Ziel benannt und in Aussicht gestellt wird, können eben zur Zeit nicht als ausschließlich spirituell ausgerichtete Gemeinschaften verniedlicht werden. Auch spricht z.B. die von den islamischen Gesellschaften vertretene rechtliche Ungleichheit der Geschlechter gegen eine allgemeine Grundgesetzkonformität. Niemand aber in der AfD wird bei uns Lebenden die Ausübung der im Koran auch tradierten spirituell ausgerichteten Riten verwehren – im Sinne der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit.
Über die reale Problematik des gegenwärtigen Islam muß man auch in Deutschland sprechen dürfen. Weit über 500 Abgeordnete waren anderer Meinung und verwehrten dem ‚ehrenwerten Abgeordneten Glaser’ – wie man ihn als Mitglied des britischen Unterhauses anreden würde – das Recht der freien Meinungsäußerung zum Islamproblem. Lediglich um 120 Abgeordnete wählten ihn, der wahrlich würdig wäre, diesem Parlament mit vorzustehen. Ob man dies von der Grünen Claudia Roth – mit über 500 Stimmen erneut gewählt – auch sagen kann, die bekanntlich nichts dabei findet, hinter einem Transparent herzulaufen mit der Aufschrift ‚Deutschland, du mieses Stück Sch….’?
Etwa 30 Abgeordnete über die Anzahl der AfD-Fraktion hinaus gestanden Glaser wenigstens das genannte grundgesetzliche Recht auf freie Meinungsäußerung zu – ein Hoffnungswert, wenn auch ein schwacher.
Für die überwältigende Mehrheit des 19. Deutschen Bundestages aber gilt an diesem 24. Oktober:
Keine Sternstunde!
Dr. Wilfried Jacobi